Investor fordert klares Signal von der Stadt
(oé) Wie kann Wiesloch zusätzliche Einzelhandelsgeschäfte ansiedeln und damit verlorene Kaufkraft zurückgewinnen, ohne zugleich die Geschäfte in der Innenstadt zu schädigen? Vor dieser Gretchenfrage steht Wieslochs Kommunalpolitik. Auf der Tagesordnung ist diese Frage, seit der Investor Jürgen Machmeier (INWO-Bau Sandhausen) konkrete Pläne für eine städtebauliche Entwicklung des Areals rund um den ehemaligen Stadtbahnhof und das EnBW-Gelände verfolgt: Dort sollen Wohnungen entstehen, vor allem aber soll ein großflächiges Einzelhandelszentrum mit insgesamt 5800 Quadratmetern Verkaufsfläche geschaffen werden. Ende März hat der Gemeinderat bereits grünes Licht für die Aufstellung eines Bebauungsplans gegeben. Jetzt haben sich Gemeinderäte, Einzelhändler, Sachverständige und die an dem Projekt Beteiligten zu einer Anhörung im Rathaus getroffen, in der noch einmal Für und Wider des Projekts diskutiert wurden.
Dies hatte einen ganz konkreten Grund, wie OB Franz Schaidhammer eingangs erläuterte. Denn der Investor und die am Projekt Beteiligten erwarten vom Gemeinderat bis Ende Juni ein eindeutiges Signal, ob er an diesem Standort Einzelhandel will und wenn ja, mit welchen Beschränkungen. Dieser Zeitdruck ist dem OB zufolge entstanden, weil die EnBW als Eigentümerin eines Teils des Geländes „ein Ultimatum gestellt“ hat: Wenn bis Ende Juni kein Kaufvertrag zustande komme, wolle die EnBW von ihrem Verkaufsangebot zurücktreten, so Schaidhammer. Für den OB steht deshalb fest: Verpasse man jetzt diese „wichtige Weichenstellung“, so sei „in den nächsten 10, 15 Jahren“ eine städtebauliche Entwicklung auf dem betreffenden Gelände „nicht mehr möglich“.
Auch für Investor Jürgen Machmeier ist der Moment der Entscheidung gekommen. Es sei nun „an der Zeit, das Projekt zu wollen oder nicht zu wollen“, erklärte er in Richtung Gemeinderat. Er entwickle das 14-Millionen-Euro-Vorhaben nun schon seit zwei Jahren, die Finanzierung sei gesichert, er habe mit der Firma Rewe als Generalmieterin einen „hochprozentig verlässlichen Partner“ und auch die EnBW habe „großes Entgegenkommen gegenüber der Stadt“ gezeigt, indem sie zu einer Teilung ihres Geländes bereit gewesen sei. Nun sei man „in den Startlöchern“, dem Projekt stehe „nichts mehr im Wege“, außer einer „negativen Entscheidung“ des Gemeinderats.
Der Investor sprach von einem „städtebaulich großen Wurf für Wiesloch“, der so nicht mehr kommen werde. Zugleich bekannte er sich nochmals ausdrücklich zu den Zusagen von Ende März, wie sie Planer Dr. Frank Gericke erneut referierte. Demnach sind von den 5800 Quadratmetern Verkaufsfläche des Einkaufszentrums 1800 Quadratmeter festgeschrieben für einen Lebensmittel-Vollsortimenter und 1500 Quadratmeter für einen Elektrofachmarkt (beide Ansiedlungen sind völlig unstrittig). Hinzu kommen eine Drogerie (600 Quadratmeter) und eine Bäckerei (100 Quadratmeter). Ein Fragezeichen steht noch hinter der geplanten Ansiedlung eines Sportmarktes (950 Quadratmeter). Bleiben unterm Strich 850 Quadratmeter übrig, deren Nutzung noch nicht festgelegt ist. Auch hier solle die „Großflächigkeit“ garantiert werden. „Kleinteilige Läden passen auch gar nicht zur Gesamtstruktur“, erklärte Gericke. Sein Vorschlag lautete, in den Bebauungsplan die Beschränkung aufzunehmen, auf der Restfläche einen Markt von mindestens 500 Quadratmetern und einen weiteren von 150 Quadratmetern vorzuschreiben.
Für ein „Fachmarktzentrum in Reinkultur“ ohne „kleingliedrigen Einzelhandel“ (Boutiquen) und damit für eine klare „Funktionsteilung“ mit der Innenstadt sprach sich auch Gerhard Beck (Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung) aus, der im Auftrag des Investors die Kaufkraft-Potenziale begutachtet hatte. Er sah für die im Einkaufszentrum vorgesehenen Branchen keine Konflikte mit den bestehenden Geschäften der Innenstadt, weil Wiesloch in diesen Branchen eher „unterdurchschnittlich“ versorgt sei. Für den Generalmieter Rewe, der später Flächen weitervermieten will, machte allerdings Peter Güths deutlich, dass sein Unternehmen, das hier „volles Risiko“ gehe, die Freiheit brauche, auch „kleinere Flächen so zu vermieten, wie Interesse besteht“. Er könne sich etwa vorstellen, dass Innenstadtgeschäfte in dem Einkaufszentrum einen „zweiten Standort“ fänden.
Keine Einwände gegen das Projekt gibt es aus Sicht der Metropolregion Rhein-Neckar. Deren Vertreter Dr. Manfred Hopfauf sprach sogar von einem im Sinne der Regionalplanung „goldrichtigen Standort“. Allerdings dürfe die Funktionsfähigkeit des Ortskerns „nicht wesentlich beeinträchtigt werden“. Dies sah Hopfauf gewährleistet, wenn der Kaufkraft-Abfluss nicht größer als zehn Prozent sei.
Das trug ihm heftige Kritik aus den Reihen der geladenen Einzelhändler ein. Ein Sprecher nannte dies eine „kühne These“. Die meisten der Wieslocher Innenstadt-Geschäfte könnten „keine fünf Prozent Minus mehr vertragen“, erklärte er. Die heftigste Kritik entzündete sich aber daran, dass bereits bis Ende Juni entschieden sein müsse (die betreffende Gemeinderatssitzung findet am 24. Juni statt). Er könne sich „des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Druck ausgeübt werden“ solle, nachdem das Projekt erst wenige Monate öffentlich sei, erklärte Uwe Dörner (Werbegemeinschaft). Ähnlich äußerte sich Jutta Hilswicht (CDU), und Gerhard Remy (Freie Wähler) nannte es „gelinde gesagt etwas befremdlich“, dass der Verkäufer des Geländes der Kommune „die Pistole auf die Brust setzt“. Karin Becker (Frauenliste) fühlte sich sogar „erpresst“. Ein Vorwurf, gegen den sich Jürgen Machmeier mit aller Entschiedenheit verwahrte. Zugleich nannte er es „verkehrt, der EnBW den schwarzen Peter zuzuschieben“. Auch sie müsse Vorbereitungen treffen und erhebliche Investitionen tätigen. Deshalb brauche man jetzt Entscheidungen.
Wie eine solche Entscheidung aussehen könnte, lassen die Stellungnahmen der Fraktionen erahnen. Günther Schroth (Grüne) zog das Fazit, zu dem Projekt ein „gutes Ja“ sagen zu können. Die Grundlinie sei stimmig, das Risiko tragbar. Zustimmend äußerte sich auch Klaus Deschner (CDU) und erinnerte daran, dass das Thema intern schon lange diskutiert werde. Mit Blick auf schwebende Grundstücksverhandlungen sei dies auch gar nicht anders möglich gewesen. Für die SPD unterstrich Richard Ziehensack das Interesse seiner Partei an einer wohnungsnahen Versorgung der Menschen mit Dingen des täglichen Bedarfs und einem vielfältigen Angebot. Dafür sei der geplante Standort „gut geeignet“. Eugen Wickenhäuser (WGF) schließlich sprach von einer „einmaligen Chance“ für die Stadt und erinnerte an die Zusagen des Investors. Sein Fazit: „Herr Machmeier, wir nehmen Sie beim Wort.“
Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung